Donnerstag, 27. Oktober 2016

ABSCHLUSSREFLEXION: Umweltschutz und Umweltbewusstsein


Magdalena Müller, Stefanie Riegler, Theres Scheiblauer

Umweltbewusstsein wird vom Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (vgl. 1978: 445) als „Einsicht in die Gefährdung der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen durch diesen selbst, verbunden mit der Bereitschaft zur Abhilfe“ definiert. Das Konzept besteht also aus zwei Komponenten, nämlich einerseits der Wahrnehmung der Verschlechterung der Umweltsituation, die durch den Menschen verursacht wird, und andererseits der Bereitschaft dieser Entwicklung entgegenzuwirken. Während der Exkursion stellten wir durch die zahlreichen Berichte und Diskussionen fest, dass in Thailand ein starker Interessenskonflikt zwischen lokalen Bevölkerungsgruppen, die in Communitys mit ruralen Strukturen leben, und der Regierung bzw. wirtschaftlichen Akteuren herrscht.

Ein einschneidendes Beispiel war der Besuch des Dorfes Ban Hua Fai, in dem die DorfbewohnerInnen berichteten, dass ihr Alltag aufgrund der Nähe zu einem Tagebau von Lärmbelästigung und Luftverschmutzung, die wiederum zu massiven Gesundheitsproblemen führt, geprägt ist. Die EinwohnerInnen haben sich zusammengeschlossen und sich für eine Umsiedlung der Gemeinde eingesetzt, die letztendlich auch bewilligt wurde. Sie konnten zwar die Verschmutzung nicht reduzieren, jedoch haben sie es geschafft für ihr eigenes Wohlergehen zu sorgen. Den enormen Zusammenhalt und die bewundernswerte Willensstärke von kleinen Communitys haben wir während unserer Reise immer wieder bemerkt.

Auch im Karendorf haben wir einen Einblick in das vorherrschende Umweltbewusstsein der Minderheit gewinnen können. Dort geht es vor allem um die Bewirtschaftung der Fläche, da diese eine wichtige Lebensgrundlage für das Dorf darstellt (Nahrung, Holz, etc.). Durch die Nutzung des Bodens besteht jedoch ein Konflikt mit der Regierung, in deren Besitz sich die Nutzfläche befindet und die daher versucht die Bevölkerung vom Wald auszuschließen. Die Karen selbst betreiben zu einem großen Teil einen nachhaltigen Wanderfeldbau, welcher zum Ziel hat, dass sich der Boden wieder regenerieren kann. Unterstützt wird die Minderheit von Raks Thai, einer NGO, die als Vermittlungsinstanz zwischen Staat und den lokalen Ansässigen dient.

Obwohl es in Thailand schon seit vielen Jahren verboten ist, landwirtschaftliche Nutzflächen durch Brandrodung zu gewinnen, geschieht dies gerade im Norden von Thailand immer noch regelmäßig. An den steilen Hängen rund um das Karendorf wäre eine händische Abholzung zu arbeitsintensiv, die dafür notwendigen Maschinen sind nicht verfügbar. Da die Bevölkerung aber auf eben jene Flächen angewiesen ist, wird Feuer nach wie vor genutzt, um Felder von Bäumen und Sträuchern zu befreien. Dabei wird der Hang von oben weg angezündet, sodass sich das Feuer nicht ungebremst ausbreiten kann. Diese Brände haben zur Folge, dass die Luft manchmal stark verschmutzt ist. Gerade in den Wintermonaten, wenn es kaum oder gar nicht regnet, ist die Luft in der Region rund um die Stadt Chiang Mai oft sehr stark verschmutzt. Unter diesem Phänomen leiden also nicht nur die ländliche Bevölkerung, sondern auch die Bewohner der Städte. Obwohl sich in Bezug auf die Reinhaltung der Luft viel getan hat in den letzten Jahrzehnten, muss für diese Art der Umweltverschmutzung ein stärkeres Bewusstsein geschaffen werden. Es muss der ländlichen Bevölkerung Hilfestellung geleistet werden, da sie alleine keine alternativen Rodungsformen finanzieren kann.

Beispiel für eine landwirtschaftliche Nutzfläche, die durch Brand gerodet wurde 

Ein weiterer wichtiger Programmpunkt in Hinblick auf die Thematik des Umweltbewusstseins war der Dialog mit einem Biobauern. Er klärte uns darüber auf, dass die Produkte, die hohe ökologische Standards aufweisen, zwar noch nicht so populär sind wie in Europa, jedoch trotzdem eine steigende Nachfrage, vor allem bei der urbanen Gesellschaft, zu bemerken ist. Diese Tatsache zeugt von einem einsetzenden Umweltbewusstsein im städtischen Raum, dessen Entwicklung mit hoher Wahrscheinlichkeit dem Trend des Westens folgen wird. Diese Entwicklung kann generell für Thailand beobachtet werden, da der Nachhaltigkeitsdiskurs eine immer zentralere Rolle im Umweltbewusstsein der thailändischen Bevölkerung, hier im Speziellen der urbanen Mittelschicht, einnimmt.

"This force is in Thailand made up by people possessing the professional skills to run the modern Thailand with an open, liberalized, export-oriented manufacturing economy. They occupy a spectrum, which runs from managerial employees at the one end, through self-employed professionals in the middle, to small businesses and sub-contractors at the other. This new class is a child of growing urban capitalism. In line with global trends, this urban based, economically well off and educated group grasped the idea of the “Brundtland Commission” and the concept of sustainability. The economic welfare should not be at the expense of nature, as they perceive it." (Buch-Hansen 2011: 143)

Ökologische Landwirtschaft

 Positiv überrascht waren wir von der Eigeninitiative der Dorfgemeinschaft in Mae Tha, die sich sehr darum bemüht, den Wald nachhaltig zu bewirtschaften und ihr Wissen auch an die nachfolgenden Generationen weiterzugeben. Für sie ist es wichtig, den Blick in Richtung Zukunft zu richten und deshalb bereits bei den jungen Mitmenschen Bewusstsein zu schaffen. Dies geschieht vor allem im Zuge des Nachhaltigkeitsunterrichts und verschiedener Projekte.

Seitens des Staates gibt es zwar Förderungen für nachhaltige Innovationen (wie zum Bespiel die Waste-To-Energy-Anlage, die eine nachhaltige Müllentsorgung gewährleistet), im Großen und Ganzen stellten wir jedoch fest, dass die Regierung sich in Umweltfragen zurückhält, was die Relevanz von NGOs wie Raks Thai oder der Henrich-Böll-Stiftung, die sich ebenfalls für ein ökologisches Bewusstsein einsetzt, enorm steigert.

Die Waste-to-Energy-Anlage

Einen weiteren Punkt bezüglich des Umweltbewusstseins konnten wir bei eine unserer letzten Stationen in Bangkok, dem Klong Lad Pho Flood Gate, einem Projekt, das vom König Bhumibol initiiert wurde, beobachten. Der Kanal ermöglicht eine raschere Entwässerung des Chao Phraya Flusses bei Überflutungsgefahr in das Meer. Bei der Besichtigung des Flood Gates ist uns vor allem ins Auge gestochen, dass das Flood Gate Teile des Mülls, der im Chao Phraya angeschwemmt wurde, auffing (siehe Bild).

Gesammelter Müll in der Schleuse des Flood Gates

Auf unser Rückfragen hin fanden wir jedoch heraus, dass dieser Müll nicht aus dem Wasser gefischt wird, sondern bei Öffnung der Schleusentore weiter in den Kanal geleitet wird. Entsprechend der eingangs diskutierten Definition des Begriffs „Umweltbewusstsein“ zeigte sich für uns wieder, dass dieses Müllproblem von den Stakeholdern zwar wahrgenommen wird, es jedoch offensichtlich an der Bereitschaft zur Umsetzung fehlt.

Adäquater Umgang in Umweltfragen ist in einem Land aber nicht nur von staatlichen Institutionen und großen Firmen, sondern auch von der Bevölkerung selbst abhängig. Dies fängt bei kleinen Dingen wie der Müllentsorgung an. Was für einen Europäer nahezu undenkbar ist, ist im thailändischen Alltag ganz normal: Müll wird oft einfach auf die Straße geschmissen. Es gibt kaum öffentliche Mistkübel auf der Straße, weswegen den Leuten auch nicht wirklich etwas anderes übrigbleibt, wenn sie ihren Müll nicht den ganzen Tag durch die Stadt tragen wollen. Prinzipiell hat man nicht das Gefühl, dass Mülltrennung in Thailand ein Thema ist. Es wird einem keine Auswahl an verschiedenen Tonnen angeboten, um seinen Abfall fachgerecht zu entsorgen. Auch, wenn durch Waste-To-Energy-Anlagen schon der erste Schritt in die richtige Richtung im Umgang mit Müll gemacht wurde, gibt es in diesem Bereich noch Handlungsbedarf in den nächsten Jahren und Jahrzehnten.

Aus unseren Beobachtungen schlussfolgern wir, dass man von einem einsetzenden Umweltbewusstsein bei der Bevölkerung sprechen kann, jedoch ist der Prozess der Umsetzung aufgrund des fehlenden Rückhaltes der Regierung sehr mühsam. Derzeit ist der Wille, etwas an der Verschlechterung der Umweltqualität zu ändern zwar erkennbar, jedoch wird er nur lokal und auf einer kleinen Maßstabsebene umgesetzt. Es fehlt am notwendigen Weitblick und an Möglichkeiten, Thailand als Ganzes umweltfreundlicher zu machen.

Quellen:
Buch-Hansen M. (2001): Is Sustainable Agriculture in Thailand Feasible? – In: Journal of Sustainable Agriculture 18(2/3), 137-160.

Rat von Sachverständigen für Umweltfragen (1978): Umweltgutachten 1978, Deutscher Bundestag, Drucksache 8/1938.

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