Dienstag, 25. Oktober 2016

Thailand, zwischen Hochwasser und Dürre



Von Dienesch Robert und Reidlinger Klemens.

Der Mae Nam Chao Phraya – the „River of Kings“

Ein Drittel der Fläche Thailands, also in etwa 160000km², entwässert über das Chao Phraya-Flussystem. Es entsteht durch den Zusammenfluss von vier Bergflüssen: Ping, Wang, Yom und Nan, die sich in Nakhon Sawan vereinen und später im Delta wieder in vier größere und unzählige kleinere Kanäle aufspalten. Der Chao Phraya ist so etwas wie die Hauptschlagader Thailands: 40 % der thailändischen Bevölkerung wohnen an seinen Ufern und über 2/3 der nationalen Wirtschaftsleistung werden hier erbracht. Die aktuelle Hauptstadt Bangkok liegt genauso am Chao Phraya, wie auch die früheren Hauptstädte Sukhothai und Ayutthaya.

Monsunklima – feuchter Sommer, trockener Winter

Der Chao Phraya ist geprägt durch das tropisch-monsunale Klima, das ganz Thailand bestimmt: Ab April setzen starke und häufige Regenfälle ein und erreichen im Spätsommer ihren Höhepunkt. Ab November beginnt die regenarme Zeit. Insgesamt regnet es entlang des Chao Phraya durchschnittlich ca. 1300mm pro Jahr (im Norden etwas weniger, im Süden etwas mehr). – Zum Vergleich: Das Jahresniederschlagsmittel in Österreich liegt bei ca. 1100mm. Insgesamt gibt es in Thailand unterschiedliche Regionen, wobei es in den trockeneren Regionen immer noch mehr als 4 humide Monate im Jahr gibt und es in den feuchtesten Regionen bis zu 11 humide Monate gibt.
Chao Phraya (Quelle: http://webworld.unesco.org/water/wwap/case_studies/chao_phraya/chao_phraya.pdf)
 

Ein Fluss – viele unterschiedliche Interessen

Eigentlich wäre also genug Wasser für alle da. Das Problem ist allerdings, dass viele Akteure unterschiedliche Interessen an dasselbe Wasser herantragen. Der Chao Phraya wird zur Bewässerung genutzt, als Abwasserkanal, als Transportweg, für die Industrie und zur Elektrizitätsgewinnung. Während der Regenzeit muss zusätzlich noch mit der ungenutzten Wassermenge umgegangen werden, sprich: die Hochwassergefahr im dicht besiedelten Süden gebannt werden. Das Bevölkerungswachstum und die Industrialisierung der letzten Jahrzehnte haben dazu geführt, dass es immer weniger Landfläche gibt, in die das fast jährlich auftretende Hochwasser hin abgeleitet werden kann.

Die Chao Phraya-Region am Übergang von Wasser-Reichtum zu Wassermangel

Die wachsende Bevölkerung (aktuell leben in Thailand ca. 70 Millionen Menschen, 1960 waren es noch 26 Millionen) führt auch zu einer wachsenden Nachfrage an Wasser. Hier ist zunächst einmal der wachsende Bedarf in der Landwirtschaft zu nennen. Ca. 200.000km² (= ca. 40 % der Fläche Thailands) werden landwirtschaftlich genutzt. Diese Fläche kann nicht mehr nachhaltig ausgedehnt werden. Daher müssen die bereits genutzten Felder intensiver genutzt werden. Das heißt konkret: Statt einer Reisernte müssen zwei möglich sein, statt zwei Reisernten drei. Denn: Dreimal am Tag steht Reis auf dem thailändischen Speiseplan. Gleichzeitig ist Thailand der weltgrößte Reisexporteur. Eine Ausweitung der Reisproduktion kann also nur mit Bewässerung auch in der Trockenzeit funktionieren. Noch dazu, wo in Thailand vor allem der Nassreis-Anbau sehr populär ist.

Speicherseen – das nicht mehr funktionierende Allheilmittel

Als obergescheite Eingeborene eines alpinen Landes könnten wir versucht sein, den Bewohnern Thailands das Konzept der Speicherseen als Lösung all ihrer Wasserprobleme zu empfehlen: Zu viel Wasser im Spätsommer? Kein Problem! Ab in den Speichersee damit! Im Winter und Frühjahr können wir es langsam abgeben, zur Bewässerung und gleichzeitig zur Stromgewinnung verwenden. Genau das war tatsächlich bis vor Kurzem auch die thailändische Antwort auf die Gefahr von Überschwemmungen im Sommer und Dürren im Winter. Mittlerweile sind aber alle verfügbaren Täler mit Talsperren versehen bzw. ist der Widerstand der Bevölkerung gegen neue Speicherkraftwerke zu groß. An eine Ausweitung dieses „österreichischen Weges“ ist also nicht zu denken. Und übrigens werden mit den Wasserkraftwerken trotzdem nur 6 % des thailändischen Energiebedarfs gedeckt.
Ayutthaya 2011 (Quelle: http://www.n-tv.de)


Dürre 2016 (Quelle: http://static.a-z.ch/)
Gleichzeitig kann man mit Speicherseen nicht alle Probleme lösen. Da es oft Starkniederschlagsereignisse sind, die für Überschwemmungen sorgen, würden Speicherseen in diesem Fall keinen Nutzen haben. Auch die zunehmende Versiegelung von Boden, aber auch die sehr ungünstige Lage Bangkoks spielen in diesem Zusammenhang eine Rolle. Bangkok liegt zum Teil gerade einmal eineinhalb Meter über dem Meeresspielegel. Gleichzeitig befindet sich das Grundwasser nur wenige Meter unter der Erde und zu guter Letzt senkt sich die Stadt jedes Jahr um ein paar Zentimeter ab. Alles Faktoren, die die bereits prekäre Situation in den nächsten Jahrzehnten noch weiter verschärfen werden.

Hochwasserschutz für Bangkok – auf Thailändisch

In einem kleinen Vorort von Bangkok, in der Nähe von Ayutthaya erfuhren wir im Rahmen unserer Exkursion, dass dort die freundlichsten Menschen Thailands leben. Die Ortschaft lässt sich jedes Jahr „freiwillig“ überfluten, um Bangkok vor größeren Schäden zu bewahren. Verschlimmert wird dies durch einen erst kürzlich gebauten Damm, der dafür sorgen soll, dass vor allem reichere Wohngegenden und das dicht besiedelte Bangkok von schlimmeren Hochwässern verschont bleibt. Die Bewohner nahmen es bei unserem Besuch mit Gelassenheit hin und erzählten, dass sie als Hauptmaßnahme allen Kindern in der Schule Schwimmunterricht geben würden.

Wasserschutzgebiete im Norden

Ein wichtiges Standbein des Hochwassermanagements Thailands sind die Wälder im Gebiet der Quellflüsse des Chao Phraya. Ihre natürliche Wasserspeicherkapazität soll verstärkt genutzt bzw. zumindest bewahrt werden. Auch Murenabgänge und Erosion sollen durch den natürlichen Waldbewuchs reduziert werden. Während im Jahr 1960 noch 80 % des Landes mit Wald bedeckt waren, sind es heute nur noch ca. 26 %. Die unterschiedlichen Regierungen Thailands haben daher große Flächen des Landes als Nationalpark oder als (ebenfalls geschützte) „forest parks“ deklariert, die zusammen ca. 12 % der Fläche Thailands ausmachen. In diesen geschützten Gebieten dürfen keine Bäume abgeholzt werden.
Dass auch dieses umweltfreundliche Konzept zum Hochwasserschutz zu Konflikten führen kann, konnten wir in unseren ersten Tagen im Norden Thailands feststellen. Das Karen-Dorf, das wir besuchten, liegt in so einem geschützten Gebiet. Seit Jahrhunderten leben sie vom Wanderfeldbau und sind daher auf Waldrodungen angewiesen. Da sie aber nachweisen konnten, dass sie nachhaltig mit der Ressource Wald umgehen, wurde ihnen gestattet, die bisher genutzte Fläche auch weiterhin mit ihren traditionellen Anbaumethoden zu bewirtschaften.

Vom Hochwasser zum Wassermangel

Ein weiteres eindrucksvolles Bild, wie man mit Wasser umgehen kann, zeigte man uns im Norden Thailands in der Nähe von Chiang Mai. Wir besuchten ein Dorf, welches unter Wassermangel leidet, sowohl in Bezug auf die Landwirtschaft, als auch in Bezug auf den persönlichen Nutzen. Schwer vorstellbar wie dies in einem so wasserreichen Land möglich sein konnte. Etwas außerhalb des Ortes zeigte man uns den Grund. Auf der einen Seite der Straße befand sich ein großer aufgestauter See, auf der anderen Seite ein ausgetrocknetes felsiges Flussbett. Der See dient allerdings nur der Kühlung und der Nutzung eines Kraftwerkes, während die Dorfbewohner mit dem wenigen Wasser auskommen müssen, welches sich ab und zu in dem (zu dieser Zeit ausgetrockneten) Flussbett befindet.

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