Samstag, 22. Oktober 2016

Müllentsorgung und die damit verbundenen Herausforderungen



Eine thematisch wissenschaftliche Reisereflexion von Simon Eidenberger, Adam Kucher und Katharina Schußmüller


Wie managt Thailand das steigende Müllaufkommen? Und wie nimmt man das Müllaufkommen als Reisender wahr? Diese Fragen stellten wir uns bevor wir unsere Auslandsexkursion antraten. Dieses Dokument fasst unsere wichtigsten Erkenntnisse und Eindrücke in groben Zügen zusammen.

Aufgefallen ist uns während der Exkursion, dass trotz der Fortschrittlichkeit des Landes im Allgemeinen wenig über Müllproduktion bzw. Vermeidung nachgedacht wird.

Es fängt schon beim Essensstand am Straßenrand an. Wir bestellen gebratenen Reis „gap baan“, zum Mitnehmen bzw. für daheim. Routiniert beginnt die Verkäuferin  den Einpackprozess der eben frisch gekochten Speisen. Eine Styroporschale für den Reis, doch zunächst muss ein Plastikblättchen hinein, um das Ankleben an den Schaumstoff zu vermeiden. In einen kleinen Plastikbeutel kommt etwas Fischsoße, in einen andereneine Chili-Essig-Soße. Beide werden geschickt mit einem Gummiband verschlossen, ganz fest und mit Luft, so dass die Tütchen wie aufgeblasene Ballons aussehen. Ein weiteres Plastiktütchen mit zwei Kammern enthält Zucker und Chilipulver, selbstverständlich mit Gummiband verschlossen. Die Schachtel mit dem Reis wird noch mit einem letzten Gummiband gesichert und kommt schließlich gemeinsam mit allen anderen Tütchen in eine Plastiktasche. „Noch eine (PVC)-Flasche Wasser dazu?“ - na klar, kommt natürlich in eine eigene Tüte. Hat keine zwei Minuten gedauert, ist ungemein praktisch, aber der angesammelte Plastikmüll macht uns schon Bauchschmerzen, bevor wir überhaupt angefangen haben zu essen. Unser Abendessen kostet umgerechnet nicht mal einen Euro. Der Preis für die Umwelt ist weitaus teurer: Zwei Tragetaschen, drei Klarsichtbeutel, vier Gummibänder, eine Folie und die Styroporschale pro Person.

Ohne Plastiktüten geht in Thailand generell nichts bzw. sind sie ein prägendes Element des täglichen Einkaufs. Egal ob im Supermarkt, im Convenient Store, auf dem Markt oder am Straßenrand, alles wird überall in Tüten verpackt - natürlich aber nicht alle Einkäufe zusammen in eine große Tüte, sondern teilweise bekommt jedes Produkt eine einzelne Tüte. Wenn man die heißgeliebte Plastiktüte dankend ablehnt, wird man teilweise ignoriert, häufig jedoch verständnislos angesehen. Das größte Problem scheint wohl die Aufklärung zu sein. Die wenigsten sind sich bewusst welchen Schaden Plastikmüll verursacht und natürlich kann man von der Straßenverkäuferin nicht erwarten, dass sie aus heiterem Himmel anfängt ihren Reis in „ecofriendly - recycled - organic“ Material zu verpacken, wenn sie es doch ihr ganzes Leben nicht anders gemacht hat.

Verglichen zu den Nachbarländern Kambodscha und Laos ist Thailand relativ sauber und auf  den ersten Blick scheint Müllentsorgung kein allzu großes Problem zu sein. In Bangkok, Ayutthaya und Chiang Mai ist uns dann bei genauerem Hinsehen aufgefallen, dass in kleineren Straßen, an den Bahngleisen oder in ärmeren Gegenden, wo sich wenig Touristen hin verirren, der Müll schon noch ein großes Problem darstellt und aufgehäuft in der Öffentlichkeit herumliegt. Vor allem in Ayutthaya ist auch Ungeziefer ein nicht unerhebliches Problem. Schon allein beim abendlichen Gang zum 7-Eleven (um gekühlte Getränke verpackt in Plastiktüten zu kaufen) sahen wir einige Ratten und Schaben. Und das obwohl wir dort in einem zentralen Hotel genächtigt haben.

Man könnte also sagen, dass Thailand zwar auf eine rasante wirtschaftliche Entwicklung zurück blickt, allerdings ein steigendes Müllaufkommen ohne angepasste Bewältigungsstrategien die Kehrseite der Medaille sind.

Allgemeines zum Thema Müll

Verwaltungsebenen und Zuständigkeiten in Thailand. Welche Ebenen befassen sich wie mit dem Thema Müll? 
Zentralregierung:   Hier kommt es zur Entwicklung von Strategien, Zielen, Standards und Richtlinien d. Abfallwirtschaft.      Das Pollution Control Department (PCD) sowie das Ministry of Natural Resources and Environment sind sozusagen die zuständigen Ministerien.
Provinzverwaltung:   Betreiben die Koordination und Planung der oben angeführten Strategien, Ziele und Standards und dienen als Bindeglied zwischen Lokal- und Zentralverwaltung.
Lokalverwaltung:  Auf der untersten Ebene erfolgt die Implementierung von Strategien, Zielen, Richtlinien innerhalb des Verwaltungsgebietes.1
Bezogen auf das thailändische Müllmanagement gibt es eine klassische top-downVerwaltungshierarchie. Das Pollution Control Department stellt die oberste Verwaltungsbehörde dar.


Probleme im Thailändischen Müllmangagement:
  Fehlende Mülltrennung
  Illegale Lagerung von Haushalts- und Gewerbemüll (illegal dumping/ open dumping)
  Illegale Verbrennung von Haushalts- und Gewerbemüll
  Nicht sachgemäße Verfahren bei Mülldeponien
  Grundwasserprobleme
  Wenig Kontrollen durch Betreiber

Im Zuge der Exkursion besuchten wir eine Mülldeponie welche in ihrer Größe und Kapazität äußerst beeindruckend war. In ungefähr 100km Distanz zur Provinzhauptstadt Chiang Mai erreichten wir die größte Mülldeponie (sanitary landfill) im Hot District, die unter dem Namen Tha Chiang Thong Company firmiert. Die Bezeichnung sanitary verweist auf eine Lagerungsweise, welche ein Einsickern von Problemstoffen bzw. jeglichen anderen Flüssigkeiten aus dem Müll in den darunterliegenden Boden verhindert.Diese Mülldeponie präsentierte sich uns gegenüber als Vorzeigeprojekt bezüglich der Weiterverwertung von Müll in kostbare Energie. Auf der Mülldeponie selbst werden täglich bis zu 600 Tonnen Müll abgelagert und sie übernimmt damit einen großen Teil des Abfalls, der im Großraum um die Stadt Chiang Mai produziert wird. Einen großen Anteil an diesem Müll nimmt dabei organischer Müll ein.2

Wie bereits angedeutet ist das Besondere an dieser Mülldeponie, dass Teile aus dem gelagerten Müll zur Energiegewinnung verwendet werden. Die gewonnene Energie wiederum soll in späteren Phasen  des Projekts durch die zuständige staatliche Behörde (Provincial Electricity Authority) in das lokale Stromnetz eingespeist werden. Wichtig ist jedoch zu erwähnen, dass diese Mülldeponie noch in einem Stadium ist, dass bei der bloßen Lagerung und dem generieren (nicht aber einspeisen) von Strom steht. Als Vorstadium für die geplante großangelegte Stromgenerierung wird gegenwärtig Gas aus der bakteriellen Zersetzung des Mülls über Rohre in enorme Gasluftballons gepumpt und später verbrannt. Durch die Verbrennung wiederum wird eine Turbine in Bewegung gesetzt, welche beim Trocknen von Dörrobst in einer benachbarten Anlage genutzt wird. Da diese Anlage für sich nicht kostendeckend ist, setzt sich die Zusammensetzung des jährlichen Gewinns des Unternehmens hauptsächlich aus staatlichen Zuschüssen und Entgelten für das Lagern des Mülls zusammen. Nach einer kurzen Diskussion wurden uns die wichtigsten Argumente für die Errichtung und spätere Förderung dargelegt:Chiang Mai leidet vor allem in den Sommer unter einer hohen Smog-Belastung, welche auf den täglichen Verkehr, Emissionen durch Privathaushalte und Industrie verursacht wird. Ein weiterer Grund ist jedoch auch das Verbrennen von Haushaltsmüll durch die Haushalte und in veralteten Anlagen. Aus diesem Grund ist das stärkste Argument für die Anlage, dass sich dadurch die Luftqualität verbessert und damit im weiteren Sinn die Lebensqualität des gesamten Großraums gesteigert werden soll. Als weiterer wichtigerPunkt wurde die Schaffung von Arbeitsplätzen genannt und angemerkt, dass zunehmend westliche Unternehmen in den thailändischen Müllmarkt drängen.

Im folgenden Gespräch mit der Mitarbeiterin des Unternehmens wurde uns klar, was fürein lukratives Geschäftssystem diese Mülldeponie entwickelt hat. Basis für die Realisierung dieses Projekts ist die Tatsache, dass jener Betreiber, der hinter der Anlage steht enorme Flächen an Land in dieser Region besitzt. Nach einem kurzen Fußweg erreichten wir gemeinsam mit der Mitarbeiterin eine kleine Anhöhe, welche es uns ermöglichte einerseits die Müllhalde in ihrer vollen Größe zu sehen aber auch die mit Gas gefüllten Speicher in Ballonform. Bei genauerem Hinsehen erkannten wir auf der Müllhalde selbst ein paar Leute, die nur mit Mundtuch und Handschuhen ausgestattet auf das Abladen der LKWs warteten und sich als dies passierte sofort daran machten den Müll zu durchsuchen. Auf unsere Frage „wer diese Menschen sind und ob das Mitarbeiter sind?“ wurde uns erklärt, dass es sich dabei um Müllsammler handelt. Diese Menschen, die laut Aussage der Mitarbeiterin häufig aus Myanmar kommen arbeiten in Thailand im Status von Gastarbeitern. Sie verdienen ihr Geld mit dem Sammeln von weiterverwertbarem Müll (Elektronik, Dosen, Metall). Dabei begeben sich bei dieser Arbeit einerseits in akute Lebensgefahr andererseits setzen sie sich dabei einem erheblichen gesundheitlichen Risiko aus. 

Müll – so erkannten wir am Ende dieses Tages – ist mehr als ein reines Abfallprodukt. Er ist auch ein ökonomisches Gut mit zahlreichen beteiligten politischen Ebenen, Profiteuren und endlosen negativen Auswirkungen auf Mensch und Umwelt.

1 Verwaltungshierarchie in Bezug auf Müll in Thailand: http://www.unep.org/ietc/Portals/136/Events/ISWM%20GPWM%20Asia%20Pacific%20Workshop/ppt_Thailand_Asia_Pacific_Workshop_Template_for_Mapping_and_Needs_Assessment_Chao.pdf
2 http://www.pcd.go.th/about/en_ab_mission.html - entsprechend der Zusammensetzung von Haushaltsund Gewerbemüll in ganz Thailand.


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