Mittwoch, 26. Oktober 2016

ABSCHLUSSREFLEXION: Stadt-Land / Livelihood & Umwelt

FORSCHUNGSBERICHT: Stadt-Land / Livelihood & Umwelt
Johanna Gschwandtner, Mario Tempelmayr, Doris Temper, Marie-Christine Weiss

 

Einführung

Der folgende Forschungsbericht befasst sich mit der Thematik „Stadt-Land/Livelihood und Umwelt“ in den im Zuge der Auslandsexkursion besuchten Gebieten Thailands. Dahingehend wird versucht, vor allem einen Vergleich zwischen den peripheren und urbanen Regionen anzustellen. Die nachfolgenden Ausführungen spiegeln die zusammengefassten, reflektierten Ergebnisse der Beobachtungen, welche im Laufe der Exkursion getätigt wurden, wieder und werden mit einschlägiger Literatur untermauert.

Leben am Land: Huai Ma Ba Village

Das Huai Ma Ba Village bzw. das dort lebende Volk der Karen werden exemplarisch für die Lebensumstände der Bevölkerung in den besuchten peripheren Gebieten Thailands herangezogen. Zu Beginn kann festgehalten werden, dass die Karen als Hilltribes gelten und die größte Minderheitengruppe des Landes darstellen. Ihren Lebensmittelpunkt bilden vor allem die Bergregionen im Norden. Im Zuge der Exkursion gewährte uns das Bergvolk einen Einblick in ihre Lebensweise. Dahingehend wurde schnell ersichtlich, dass sich deren Lebensbedingungen relativ schlicht gestalten.

Einfache Holzbauten im Karen Dorf (Quelle: Eigene Aufnahme)

Die Gebäude der Karen bestehen aus einfachen Holzkonstruktionen und wurden auf Stelzen errichtet, um etwaigen Naturgefahren vorzubeugen. Obwohl die Haushalte seit ca. einem Jahr mit Strom versorgt werden, wird nach wie vor überwiegend auf offenen Feuerstellen gekocht. Die Gebäude selbst weisen nur wenige, einfach gehaltene Räume sowie Sanitäranlagen auf. In Bezug auf den Lebensunterhalt der Karen spielt der primäre Sektor, also die Landwirtschaft, eine zentrale Rolle. Hier kann einerseits zwischen dem von ihnen betriebenen Wanderfeldbau und andererseits der privaten Viehwirtschaft differenziert werden. Während bei ersterem nahe gelegene Felder gerodet und bewirtschaftet (Reis, etc.) werden, besitzt außerdem jeder Haushalt zumindest zwei Arten von Nutztieren, wie beispielsweise Schweine und Hühner, welche unter den Holzhütten gehalten werden.

Brandrodungs- und Wanderfeldbau (Quelle: Eigene Aufnahme)
Wie in vielen Regionen Europas ist auch in Thailand in jüngerer Zeit eine klassische Stadt-Land-Flucht bemerkbar. Diese gestaltet sich dort jedoch ein wenig anders als bei uns: Während in den Dörfern vor allem die kleinen Kinder sowie die ältere Generation verweilen, bestreiten die jungen Erwachsenen ihren Lebensunterhalt häufig in nahe gelegenen Städten, wie beispielsweise in Chiang Mai. An den Wochenenden bzw. freien Tagen kehren sie aber zumeist in die Dörfer zurück, um die Zurückgebliebenen tatkräftig in der Landwirtschaft bzw. im Haushalt zu unterstützen. Dies bestätigen auch die folgenden Ausführungen von GÖDECKE und WAIBL:

 „A major factor is the change in the social structure of the village as a result of out-migration of mostly younger family members to urban industrial centres [...]“ (GÖDECKE UND WAIBL 2011: 216)


Eine weitere Einnahmequelle bilden die von Frauen aus Naturfasern hergestellten Textilprodukte, welche entweder auf Märkten oder direkt im Dorf verkauft werden. Zusammenfassend kann also festgehalten werden, dass in dieser peripheren Region zwei Livelihood-Strategien vorherrschen: Einerseits die Landwirtschaft und andererseits die Erwerbstätigkeit der jungen Generation in den Städten. Vor allem durch letztere verringert sich die Abhängigkeit der Dorfgemeinschaft von der Umwelt. 

„ [...] while in the past households relied on farming as the main source of livelihoods, to date, two major livelihoods strategies have emerged. The first one is applied by those households who continue to be engaged in farming and who may have intensified their farming activities through accumulation of land and investments in agricultural technology. In addition, there are those households who seem to choose an exit strategy from agriculture or try to insure against risk in agriculture by diversifying their income portfolio through migration. These households therefore increasingly rely on wage income from household members who migrated to industrial areas.“ (GÖDECKE UND WAIBL 2011: 216)

In Summe ist der Wohlstand der ländlichen Bevölkerung somit gestiegen, wobei das erwirtschaftete Geld wiederum meist in Infrastrukturmaßnahmen investiert wird (Zugang zur Stromversorgung, Kauf von Fernseher, etc.). Zu guter Letzt hat sich neben dem Wohlstand auch die Bildung der Bevölkerung sowie deren Zugang zu Informationen in den peripheren Regionen stetig verbessert. 

„[...] according to the income model, both livelihood strategies can have their merits since migration as well as cropland was found to have a positive effect on per capital income.“ (GÖDECKE UND WAIBL 2011: 216)

Leben in der Stadt: Bangkok und Ayutthaya

Trotz einiger Gemeinsamkeiten gestaltet sich das Leben in der Stadt anders, als auf dem Land. Durchquert man Bangkok, so wird schnell ersichtlich, dass die arme und die wohlhabende Bevölkerung eng zusammenwohnt; pompöse Wolkenkratzer werden von einfachen Wellblech- bzw. Holzhütten umringt. Innerhalb der (Groß-)Städte etablierten sich unterschiedlich große Dorfgruppen, die sich nach außen hin abschirmen und eine eigene – teils informelle – Community bilden. Diese Gruppen wählen einen sogenannten Ortsvorsteher und sind oft von der anderen Umgebung durch Zäune oder Zugangstore abgegrenzt.

Zugangstor zu einer Community (Quelle: Eigene Aufnahme)
Wie in den peripheren Regionen herrschen in den kleinen Dörfern der Städte ebenfalls einfache Lebensumstände, obwohl die Infrastruktur schon deutlich besser scheint: „Ordentliche“ Fenster, fließendes Wasser sowie eine solide Stromversorgung und sogar Klimaanlagen prägen das Lebensumfeld. Auch hier sind die Haushalte relativ groß und viele Menschen leben auf engem Raum zusammen. In Bezug auf die Umwelt stellen vor allem Überflutungen, Abgase und große Müllaufkommen zentrale Probleme dar:

„The growth and development patterns of Bangkok have had significant implications for the ecology of the region. Water, air and solid waste pollution have reached extreme levels (SETCHELL, 1995; GLASSMAN AND SNEDDON, 2003).“ (STOREY D. 2012: 111f.)

„On the one hand, conflicts result from the environmental impacts of urban growth, the failure of regulation and the increase of informal settlements, many of which are unserviced and lack basic sewerage and sanitation systems.“ (STOREY D. 2012: 109)

In einer Dorfgemeinschaft nahe der Stadt Ayutthaya, welche nördlich von Bangkok am Chao Phraya liegt, kämpfen die Bewohnerinnen und Bewohner seit Jahren mit immer wiederkehrenden Hochwasserkatastrophen.

Hochwassersicheres Haus im Dorf Nahe Ayutthaya (Quelle: Eigene Aufnahme)
 Viele von ihnen haben daher ihre Häuser auf Stelzen oder in Form von Hausbooten errichtet bzw. ihre Unterkünfte entsprechend adaptiert. Die Finanzierung dieser Hochwasserschutzmaßnahmen obliegt den Eigentümerinnen und Eigentümern. Eine Förderung seitens der Regierung Thailands gibt es nicht. Die Dorfgemeinschaft kann diese Investitionen jedoch nicht vollständig tätigen, weshalb mehrere Häuser noch nicht vor den kommenden Flutereignissen geschützt sind. Vor Ort konnten wir an einer Brücke das Ausmaß der Schäden der letzten Hochwasserkatastrophen erahnen und trafen unter anderem auch eine Gruppe von Frauen, die gemeinsam Handarbeitsstücke anfertigen und verkaufen, um sich so ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. 

Ein anderer spannender Aspekt, der sich während der Exkursion zeigte, ist, dass die Hauptstadt Bangkok nicht nur städtisch und von Hochhäusern geprägt ist, sondern auch ländliche Gegenden aufweist, in welchen teilweise sogar eine Art Urwald vorherrscht. Einer dieser Bereiche ist die „Bang Krachao Urban Green Zone“, auch bekannt als die grüne Lunge Bangkoks, welche vom Chao Phraya umringt wird.

Bang Krachao Urban Green Zone (Quelle: KRUL K. 2012: 24)

In Gebieten wie diesen leben ebenfalls verschiedene Dorfgemeinschaften, die jedoch durch private Investoren bedroht sind, welche das Land aufkaufen wollen um die Halbinsel mit lukrativen, neuen Wolkenkratzern zu bebauen. KRUL hält dazu fest:

„The improved infrastructure together with Bangkok’s rapid urbanization have in-creased Bang Krachao’s land prices. These have tripled in just a few years (SOMMEECHAI, 2012). In effect, more locals are now tempted into selling their land to outsiders and foreigners who have development intentions.“ (KRUL K. 2012: 25)

Conclusio

Die Auseinandersetzung mit der Thematik und die dahingehenden Beobachtungen gestalteten sich äußerst spannend. Im Zuge der Exkursion hat sich gezeigt, dass in Thailand vielfältige Wechselbeziehungen zwischen den Menschen und der Umwelt bestehen. Widmet man sich den Livelihoods, so wird schnell ersichtlich, dass es trotz einiger Disparitäten zwischen der Bevölkerung in den Städten und am Land dennoch auch viele Gemeinsamkeiten gibt. 

Literatur

 

ENDO T. (2014): Living with Risk. Precarity & Bangkok’s Urban Poor. – Singapur.

GÖDECKE T., WAIBEL H (2011): Rural-urban transformation and village economy in emerging market economies during economic crises: empirical evidence from Thailand. – In: Cambridge Journal of Regions, Economy and Society Vol. 4 (2), 205-219.

KRUL K. (2012): Dealing with high pressure: Urban Agriculture as a tool to prevent green spaces from turning red, a case study from Bang Krachao. – Amsterdam.

STOREY D. (2012): Incompatible Partners? Urban poor communities and river sys-tems in Bangkok, Thailand. – In: International Development Planning Review 34 (2), 109-128.

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