Eine thematisch wissenschaftliche Reisereflexion von Simon Eidenberger, Adam Kucher und Katharina Schußmüller
Wie managt Thailand das steigende Müllaufkommen? Und wie
nimmt man das Müllaufkommen als Reisender wahr? Diese Fragen stellten wir uns
bevor wir unsere Auslandsexkursion antraten. Dieses Dokument fasst unsere
wichtigsten Erkenntnisse und Eindrücke in groben Zügen zusammen.
Aufgefallen ist uns während der Exkursion, dass trotz der
Fortschrittlichkeit des Landes im Allgemeinen wenig über Müllproduktion bzw.
Vermeidung nachgedacht wird.
Es fängt schon beim Essensstand am Straßenrand an. Wir
bestellen gebratenen Reis „gap baan“, zum Mitnehmen bzw. für daheim. Routiniert
beginnt die Verkäuferin den Einpackprozess
der eben frisch gekochten Speisen. Eine Styroporschale für den Reis, doch
zunächst muss ein Plastikblättchen hinein, um das Ankleben an den Schaumstoff
zu vermeiden. In einen kleinen Plastikbeutel kommt etwas Fischsoße, in einen
andereneine Chili-Essig-Soße. Beide werden geschickt mit einem Gummiband
verschlossen, ganz fest und mit Luft, so dass die Tütchen wie aufgeblasene
Ballons aussehen. Ein weiteres Plastiktütchen mit zwei Kammern enthält Zucker
und Chilipulver, selbstverständlich mit Gummiband verschlossen. Die Schachtel
mit dem Reis wird noch mit einem letzten Gummiband gesichert und kommt
schließlich gemeinsam mit allen anderen Tütchen in eine Plastiktasche. „Noch
eine (PVC)-Flasche Wasser dazu?“ - na klar, kommt natürlich in eine eigene
Tüte. Hat keine zwei Minuten gedauert, ist ungemein praktisch, aber der angesammelte
Plastikmüll macht uns schon Bauchschmerzen, bevor wir überhaupt angefangen
haben zu essen. Unser Abendessen kostet umgerechnet nicht mal einen Euro. Der
Preis für die Umwelt ist weitaus teurer: Zwei Tragetaschen, drei Klarsichtbeutel,
vier Gummibänder, eine Folie und die Styroporschale pro Person.
Ohne Plastiktüten geht in Thailand generell nichts bzw. sind
sie ein prägendes Element des täglichen Einkaufs. Egal ob im Supermarkt, im
Convenient Store, auf dem Markt oder am Straßenrand, alles wird überall in
Tüten verpackt - natürlich aber nicht alle Einkäufe zusammen in eine große
Tüte, sondern teilweise bekommt jedes Produkt eine einzelne Tüte. Wenn man die
heißgeliebte Plastiktüte dankend ablehnt, wird man teilweise ignoriert, häufig
jedoch verständnislos angesehen. Das größte Problem scheint wohl die Aufklärung
zu sein. Die wenigsten sind sich bewusst welchen Schaden Plastikmüll verursacht
und natürlich kann man von der Straßenverkäuferin nicht erwarten, dass sie aus
heiterem Himmel anfängt ihren Reis in „ecofriendly - recycled - organic“
Material zu verpacken, wenn sie es doch ihr ganzes Leben nicht anders gemacht
hat.
Verglichen zu den Nachbarländern Kambodscha und Laos ist
Thailand relativ sauber und auf den
ersten Blick scheint Müllentsorgung kein allzu großes Problem zu sein. In Bangkok,
Ayutthaya und Chiang Mai ist uns dann bei genauerem Hinsehen aufgefallen, dass
in kleineren Straßen, an den Bahngleisen oder in ärmeren Gegenden, wo sich
wenig Touristen hin verirren, der Müll schon noch ein großes Problem darstellt
und aufgehäuft in der Öffentlichkeit herumliegt. Vor allem in Ayutthaya ist
auch Ungeziefer ein nicht unerhebliches Problem. Schon allein beim abendlichen
Gang zum 7-Eleven (um gekühlte Getränke verpackt in Plastiktüten zu kaufen)
sahen wir einige Ratten und Schaben. Und das obwohl wir dort in einem zentralen
Hotel genächtigt haben.
Man könnte also sagen, dass Thailand zwar auf eine rasante
wirtschaftliche Entwicklung zurück blickt, allerdings ein steigendes
Müllaufkommen ohne angepasste Bewältigungsstrategien die Kehrseite der Medaille
sind.
Allgemeines zum Thema Müll
Verwaltungsebenen und Zuständigkeiten in Thailand. Welche
Ebenen befassen sich wie mit dem Thema Müll?
Zentralregierung: Hier kommt es zur Entwicklung von
Strategien, Zielen, Standards und Richtlinien d. Abfallwirtschaft. Das Pollution Control Department (PCD)
sowie das Ministry of Natural Resources and Environment sind sozusagen die
zuständigen Ministerien.
Provinzverwaltung: Betreiben die Koordination und Planung der
oben angeführten Strategien, Ziele und Standards und dienen als Bindeglied
zwischen Lokal- und Zentralverwaltung.
Lokalverwaltung: Auf der untersten Ebene erfolgt die
Implementierung von Strategien, Zielen, Richtlinien innerhalb des
Verwaltungsgebietes.1
Bezogen auf das thailändische Müllmanagement gibt es eine
klassische top-downVerwaltungshierarchie. Das Pollution Control Department
stellt die oberste Verwaltungsbehörde dar.
Probleme im
Thailändischen Müllmangagement:
• Fehlende
Mülltrennung
• Illegale Lagerung
von Haushalts- und Gewerbemüll (illegal dumping/ open dumping)
• Illegale
Verbrennung von Haushalts- und Gewerbemüll
• Nicht sachgemäße
Verfahren bei Mülldeponien
• Grundwasserprobleme
• Wenig Kontrollen
durch Betreiber
Im Zuge der Exkursion besuchten wir eine Mülldeponie welche
in ihrer Größe und Kapazität äußerst beeindruckend war. In ungefähr 100km
Distanz zur Provinzhauptstadt Chiang Mai erreichten wir die größte Mülldeponie
(sanitary landfill) im Hot District, die unter dem Namen Tha Chiang Thong
Company firmiert. Die Bezeichnung sanitary verweist auf eine Lagerungsweise,
welche ein Einsickern von Problemstoffen bzw. jeglichen anderen Flüssigkeiten
aus dem Müll in den darunterliegenden Boden verhindert.Diese Mülldeponie
präsentierte sich uns gegenüber als Vorzeigeprojekt bezüglich der
Weiterverwertung von Müll in kostbare Energie. Auf der Mülldeponie selbst
werden täglich bis zu 600 Tonnen Müll abgelagert und sie übernimmt damit einen
großen Teil des Abfalls, der im Großraum um die Stadt Chiang Mai produziert
wird. Einen großen Anteil an diesem Müll nimmt dabei organischer Müll ein.2
Wie bereits angedeutet ist das Besondere an dieser
Mülldeponie, dass Teile aus dem gelagerten Müll zur Energiegewinnung verwendet
werden. Die gewonnene Energie wiederum soll in späteren Phasen des Projekts durch die zuständige staatliche
Behörde (Provincial Electricity Authority) in das lokale Stromnetz eingespeist
werden. Wichtig ist jedoch zu erwähnen, dass diese Mülldeponie noch in einem
Stadium ist, dass bei der bloßen Lagerung und dem generieren (nicht aber einspeisen)
von Strom steht. Als Vorstadium für die geplante großangelegte Stromgenerierung
wird gegenwärtig Gas aus der bakteriellen Zersetzung des Mülls über Rohre in
enorme Gasluftballons gepumpt und später verbrannt. Durch die Verbrennung wiederum
wird eine Turbine in Bewegung gesetzt, welche beim Trocknen von Dörrobst in
einer benachbarten Anlage genutzt wird. Da diese Anlage für sich nicht kostendeckend
ist, setzt sich die Zusammensetzung des jährlichen Gewinns des Unternehmens
hauptsächlich aus staatlichen Zuschüssen und Entgelten für das Lagern des Mülls
zusammen. Nach einer kurzen Diskussion wurden uns die wichtigsten Argumente für
die Errichtung und spätere Förderung dargelegt:Chiang Mai leidet vor allem in
den Sommer unter einer hohen Smog-Belastung, welche auf den täglichen Verkehr,
Emissionen durch Privathaushalte und Industrie verursacht wird. Ein weiterer
Grund ist jedoch auch das Verbrennen von Haushaltsmüll durch die Haushalte und
in veralteten Anlagen. Aus diesem Grund ist das stärkste Argument für die
Anlage, dass sich dadurch die Luftqualität verbessert und damit im weiteren
Sinn die Lebensqualität des gesamten Großraums gesteigert werden soll. Als
weiterer wichtigerPunkt wurde die Schaffung von Arbeitsplätzen genannt und
angemerkt, dass zunehmend westliche Unternehmen in den thailändischen Müllmarkt
drängen.
Im folgenden Gespräch mit der Mitarbeiterin des Unternehmens
wurde uns klar, was fürein lukratives Geschäftssystem diese Mülldeponie
entwickelt hat. Basis für die Realisierung dieses Projekts ist die Tatsache,
dass jener Betreiber, der hinter der Anlage steht enorme Flächen an Land in
dieser Region besitzt. Nach einem kurzen Fußweg erreichten wir gemeinsam mit
der Mitarbeiterin eine kleine Anhöhe, welche es uns ermöglichte einerseits die
Müllhalde in ihrer vollen Größe zu sehen aber auch die mit Gas gefüllten
Speicher in Ballonform. Bei genauerem Hinsehen erkannten wir auf der Müllhalde
selbst ein paar Leute, die nur mit Mundtuch und Handschuhen ausgestattet auf das
Abladen der LKWs warteten und sich als dies passierte sofort daran machten den
Müll zu durchsuchen. Auf unsere Frage „wer diese Menschen sind und ob das
Mitarbeiter sind?“ wurde uns erklärt, dass es sich dabei um Müllsammler
handelt. Diese Menschen, die laut Aussage der Mitarbeiterin häufig aus Myanmar
kommen arbeiten in Thailand im Status von Gastarbeitern. Sie verdienen ihr Geld
mit dem Sammeln von weiterverwertbarem Müll (Elektronik, Dosen, Metall). Dabei begeben
sich bei dieser Arbeit einerseits in akute Lebensgefahr andererseits setzen sie
sich dabei einem erheblichen gesundheitlichen Risiko aus.
1 Verwaltungshierarchie in Bezug auf Müll in Thailand:
http://www.unep.org/ietc/Portals/136/Events/ISWM%20GPWM%20Asia%20Pacific%20Workshop/ppt_Thailand_Asia_Pacific_Workshop_Template_for_Mapping_and_Needs_Assessment_Chao.pdf
2 http://www.pcd.go.th/about/en_ab_mission.html
- entsprechend der Zusammensetzung von Haushaltsund Gewerbemüll in ganz
Thailand.
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