Von Dienesch Robert und
Reidlinger Klemens.
Der Mae Nam Chao Phraya – the „River of Kings“
Ein Drittel der Fläche Thailands, also in etwa
160000km², entwässert über das Chao Phraya-Flussystem. Es entsteht durch den
Zusammenfluss von vier Bergflüssen: Ping, Wang, Yom und Nan, die sich in Nakhon
Sawan vereinen und später im Delta wieder in vier größere und unzählige
kleinere Kanäle aufspalten. Der Chao Phraya ist so etwas wie die
Hauptschlagader Thailands: 40 % der thailändischen Bevölkerung wohnen an seinen
Ufern und über 2/3 der nationalen Wirtschaftsleistung werden hier erbracht. Die
aktuelle Hauptstadt Bangkok liegt genauso am Chao Phraya, wie auch die früheren
Hauptstädte Sukhothai und Ayutthaya.
Monsunklima – feuchter Sommer, trockener Winter
Der Chao Phraya ist geprägt durch das
tropisch-monsunale Klima, das ganz Thailand bestimmt: Ab April setzen starke
und häufige Regenfälle ein und erreichen im Spätsommer ihren Höhepunkt. Ab
November beginnt die regenarme Zeit. Insgesamt regnet es entlang des Chao
Phraya durchschnittlich ca. 1300mm pro Jahr (im Norden etwas weniger, im Süden
etwas mehr). – Zum Vergleich: Das Jahresniederschlagsmittel in Österreich liegt
bei ca. 1100mm. Insgesamt gibt es in Thailand unterschiedliche Regionen, wobei
es in den trockeneren Regionen immer noch mehr als 4 humide Monate im Jahr gibt
und es in den feuchtesten Regionen bis zu 11 humide Monate gibt.
Chao Phraya (Quelle: http://webworld.unesco.org/water/wwap/case_studies/chao_phraya/chao_phraya.pdf) |
Ein Fluss – viele unterschiedliche Interessen
Eigentlich wäre also genug Wasser für alle da. Das
Problem ist allerdings, dass viele Akteure unterschiedliche Interessen an
dasselbe Wasser herantragen. Der Chao Phraya wird zur Bewässerung genutzt, als
Abwasserkanal, als Transportweg, für die Industrie und zur Elektrizitätsgewinnung.
Während der Regenzeit muss zusätzlich noch mit der ungenutzten Wassermenge
umgegangen werden, sprich: die Hochwassergefahr im dicht besiedelten Süden gebannt
werden. Das Bevölkerungswachstum und die Industrialisierung der letzten
Jahrzehnte haben dazu geführt, dass es immer weniger Landfläche gibt, in die
das fast jährlich auftretende Hochwasser hin abgeleitet werden kann.
Die Chao Phraya-Region am Übergang von Wasser-Reichtum zu Wassermangel
Die wachsende Bevölkerung (aktuell leben in Thailand
ca. 70 Millionen Menschen, 1960 waren es noch 26 Millionen) führt auch zu einer
wachsenden Nachfrage an Wasser. Hier ist zunächst einmal der wachsende Bedarf
in der Landwirtschaft zu nennen. Ca. 200.000km² (= ca. 40 % der Fläche
Thailands) werden landwirtschaftlich genutzt. Diese Fläche kann nicht mehr
nachhaltig ausgedehnt werden. Daher müssen die bereits genutzten Felder
intensiver genutzt werden. Das heißt konkret: Statt einer Reisernte müssen zwei
möglich sein, statt zwei Reisernten drei. Denn: Dreimal am Tag steht Reis auf
dem thailändischen Speiseplan. Gleichzeitig ist Thailand der weltgrößte
Reisexporteur. Eine Ausweitung der Reisproduktion kann also nur mit Bewässerung
auch in der Trockenzeit funktionieren. Noch dazu, wo in Thailand vor allem der
Nassreis-Anbau sehr populär ist.
Speicherseen – das nicht mehr funktionierende Allheilmittel
Als obergescheite Eingeborene eines alpinen Landes
könnten wir versucht sein, den Bewohnern Thailands das Konzept der Speicherseen
als Lösung all ihrer Wasserprobleme zu empfehlen: Zu viel Wasser im Spätsommer?
Kein Problem! Ab in den Speichersee damit! Im Winter und
Frühjahr können wir es langsam abgeben, zur Bewässerung und gleichzeitig zur
Stromgewinnung verwenden. Genau das war tatsächlich bis vor Kurzem auch die
thailändische Antwort auf die Gefahr von Überschwemmungen im Sommer und Dürren
im Winter. Mittlerweile sind aber alle verfügbaren Täler mit Talsperren
versehen bzw. ist der Widerstand der Bevölkerung gegen neue Speicherkraftwerke
zu groß. An eine Ausweitung dieses „österreichischen Weges“ ist also nicht zu
denken. Und übrigens werden mit den Wasserkraftwerken trotzdem nur 6 % des
thailändischen Energiebedarfs gedeckt.
Ayutthaya 2011 (Quelle: http://www.n-tv.de) |
Dürre 2016 (Quelle: http://static.a-z.ch/) |
Gleichzeitig kann man mit Speicherseen nicht alle
Probleme lösen. Da es oft Starkniederschlagsereignisse sind, die für
Überschwemmungen sorgen, würden Speicherseen in diesem Fall keinen Nutzen
haben. Auch die zunehmende Versiegelung von Boden, aber auch die sehr
ungünstige Lage Bangkoks spielen in diesem Zusammenhang eine Rolle. Bangkok
liegt zum Teil gerade einmal eineinhalb Meter über dem Meeresspielegel.
Gleichzeitig befindet sich das Grundwasser nur wenige Meter unter der Erde und
zu guter Letzt senkt sich die Stadt jedes Jahr um ein paar Zentimeter ab. Alles
Faktoren, die die bereits prekäre Situation in den nächsten Jahrzehnten noch
weiter verschärfen werden.
Hochwasserschutz für Bangkok – auf Thailändisch
In einem kleinen Vorort von Bangkok, in der Nähe von
Ayutthaya erfuhren wir im Rahmen unserer Exkursion, dass dort die
freundlichsten Menschen Thailands leben. Die Ortschaft lässt sich jedes Jahr
„freiwillig“ überfluten, um Bangkok vor größeren Schäden zu bewahren.
Verschlimmert wird dies durch einen erst kürzlich gebauten Damm, der dafür
sorgen soll, dass vor allem reichere Wohngegenden und das dicht besiedelte
Bangkok von schlimmeren Hochwässern verschont bleibt. Die Bewohner nahmen es
bei unserem Besuch mit Gelassenheit hin und erzählten, dass sie als
Hauptmaßnahme allen Kindern in der Schule Schwimmunterricht geben würden.
Wasserschutzgebiete im Norden
Ein wichtiges Standbein des Hochwassermanagements
Thailands sind die Wälder im Gebiet der Quellflüsse des Chao Phraya. Ihre
natürliche Wasserspeicherkapazität soll verstärkt genutzt bzw. zumindest
bewahrt werden. Auch Murenabgänge und Erosion sollen durch den natürlichen
Waldbewuchs reduziert werden. Während im Jahr 1960 noch 80 % des Landes mit
Wald bedeckt waren, sind es heute nur noch ca. 26 %. Die unterschiedlichen
Regierungen Thailands haben daher große Flächen des Landes als Nationalpark
oder als (ebenfalls geschützte) „forest parks“ deklariert, die zusammen ca. 12
% der Fläche Thailands ausmachen. In diesen geschützten Gebieten dürfen keine
Bäume abgeholzt werden.
Dass auch dieses umweltfreundliche Konzept zum
Hochwasserschutz zu Konflikten führen kann, konnten wir in unseren ersten Tagen
im Norden Thailands feststellen. Das Karen-Dorf, das wir besuchten, liegt in so
einem geschützten Gebiet. Seit Jahrhunderten leben sie vom Wanderfeldbau und
sind daher auf Waldrodungen angewiesen. Da sie aber nachweisen konnten, dass
sie nachhaltig mit der Ressource Wald umgehen, wurde ihnen gestattet, die
bisher genutzte Fläche auch weiterhin mit ihren traditionellen Anbaumethoden zu
bewirtschaften.
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